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Privat optimistisch – von Dienst wegen pessimistisch

Jeder Betrieb in Belgien muss jemanden im Haus haben, der sich verantwortlich um die Sicherheit kümmert. Das gilt auch für ein Krankenhaus. Marie Grosjean hat im September 2020 ihre Arbeit als Gefahrenverhütungsberaterin am St. Nikolaus-Hospital Eupen aufgenommen. Wie ihre Arbeit aussieht, wie sie die ersten sechs Monate an der Hufengasse erlebt hat und was sie sich in Zusammenarbeit mit vielen Beschäftigten des Hospitals als nächstes vornimmt, schildert die 32-Jährige im Interview.

 

Was verbirgt sich hinter dem Wort „Gefahrenverhütung“?

Ein wirklich großes Aufgabengebiet. Der Gesetzgeber will die Sicherheit und das Wohlbefinden von Beschäftigten im Betrieb steigern. Beraterinnen wie ich sollen die Betriebsleitungen darin unterstützen, dieses Vorhaben nach besten Kräften zu verwirklichen. Und das ist wirklich anspruchsvoll, denn es geht um einen ganzheitlichen Blick aufs Ganze. Das Anliegen greift tief in die alltägliche Organisation eines Betriebes ein. Meine Arbeit soll helfen, diese Aufgabe mit Augenmaß, aber konsequent zu verfolgen.
 

Versuchen wir, das Paket aufzuschnüren. Welche Gefahren sollen verhütet werden?

Wir sprechen von sieben Aspekten. Da sind die Gebiete, die mit der Infrastruktur zu tun haben. Die Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein zentraler Punkt, denken Sie an Brandschutz oder Zutrittskontrollen. Die Ergonomie als Anliegen erstreckt sich im Krankenhaus vom Bildschirmarbeitsplatz über die Beleuchtung bis hin zu m Pflegebett. Von diesen Arbeitsmitteln dürfen keine unangemessenen Risiken für eine körperliche Beeinträchtigung der Beschäftigten ausgehen. In enger Zusammenarbeit mit der Hygienebeauftragten ist auch die Hygiene ein Querschnittsthema, das ich im Blick haben muss. Die Arbeitsqualität wird außerdem durch viele kleine Punkte beeinflusst, zum Beispiel wie schön und alltagspraktisch eine Arbeitsumgebung gestaltet wird. Auch zählt dazu, ob es Beeinträchtigung durch Störungen wie Lärmquellen oder schlechte Belüftung gibt.
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Noch haben wir nicht sieben Aspekte zusammen. Wofür sind Sie noch zuständig?

In der Aufzählung fehlen in der Tat noch weitere wichtige Aspekte. Da ist zum einen der klassische Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, etwa der Ausschluss gefährlicher Belastung durch Strahlen. Auch die Gesundheitsprävention etwa mit Blick auf Missbrauch von Medikamenten oder Alkohol ist im Fokus. Und dann gibt es da noch das große Feld der psychosozialen Belastungen und Gefährdungen. Das reicht vom Stresspegel über Strukturen und Situationen, die Mobbing fördern, bis hin zu Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Auch hier gilt es im Fall des Falles gegenzusteuern.

Das kann ein einzelner Mensch doch kaum alles kennen und stemmen, oder?

Das ist richtig. Dank meiner Ausbildung zur Gefahrenverhütungsberaterin bin ich darin geschult, als Generalistin Situationen wahrzunehmen und einzuschätzen. Aber um das leisten zu können, bin ich auf das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Ihre Informationen und Vorschläge machen es mir erst möglich, der Direktion Gefährdungen anzuzeigen und sie bei der Lösung von Problemen zu beraten. Eine große Unterstützung sind die Gremien, die sich ebenfalls um Fragen von Sicherheit und Wohlbefinden der Beschäftigten kümmern. Dort sitzen Vertreter des Personals und der Direktion an einem Tisch. Und in der Folge ist ganz klar, dass viele Begutachtungen und Maßnahmen nur mit Hilfe von externen Spezialisten erfolgen können. Sie haben die fachliche Expertise, das Hospital bei diesen Herausforderungen bestmöglich zu unterstützen. Ziel ist, Kreisläufe im Haus zu etablieren, damit sich die Prävention als Grundgedanke fest verankert.
 

Wie kommen Sie an die Informationen, die Sie für Ihre Aufgabe brauchen?

Zum einen durch die strukturierten Beratungen, mit den genannten Gremien, mit der Direktion. Zum anderen aber durch spontane Zurufe, durch Begegnungen auf dem Flur, durch vertrauliche Hinweise und Gespräche. Da kommen ganz viele Dinge zur Sprache, große wie kleine. Alles ist mir wichtig und ich muss es sortieren und in einer sinnvollen Reihenfolge auf den Weg bringen. Ich bin in meiner Arbeit unabhängig, nicht gegenüber Dienstleitungen weisungsgebunden. Durch diese Stellung kann ich Themen und Anliegen neutral entgegennehmen. Ich bin niemandem gegenüber parteiisch, sondern nur dem Anliegen verpflichtet, das Beste für Sicherheit und Wohlbefinden der Beschäftigten im Hospital zu bewirken. In diesem Selbstverständnis berate ich die Direktion, wir tauschen uns wöchentlich aus und verabreden den Fortgang der Projekte, die das Ziel unterstützen. So ist es auch vom Gesetzgeber her vorgesehen und gewünscht. Und ich habe das Gefühl, dass es immer stärker auch von den Verantwortlichen, den Dienstleitungen und Kolleginnen und Kollegen mitgetragen wird. Wir sitzen in dem Punkt alle in einem Boot.

 

Was sticht unter der Fülle von Vorhaben in Ihren ersten sechs Monaten heraus?

Als Feuertaufe begegnete mir gleich im Herbst 2020 die Arbeit am Notfallplan des Krankenhauses. Da musste ich mir mit anderen die schlimmsten Szenarien ausdenken, um gute Lösungen, Strukturen und Abläufe dafür zu entwickeln. Privat bin ich Optimistin, hier musste ich pessimistisch herangehen, mit dem Ziel, realistische Pläne zu entwickeln. Und was waren das für Szenarien, einmal für das Krankenhaus selbst: ein Großbrand, ein Crash der Informationstechnik, der Zusammenbruch der Stromversorgung. Aber auch Szenarien, die sich außerhalb ereignen: eine Massenkarambolage auf der Autobahn, ein Chemieunfall.  So unwahrscheinlich diese Szenarien sind, so wichtig ist es trotzdem, sich intern darauf einzustellen. Je früher man sich mit so etwas auseinandersetzt, umso besser, denn es gilt wie in der Medizin: vorbeugen ist besser als heilen müssen. Es ist einfach unerlässlich, auf einer gesicherten, gemeinsam getragenen Basis Entscheidungen in diesen Notfällen treffen zu können. Das entlastet und unterstützt bei existenziellen Ausnahmesituationen. Kaum weniger anspruchsvoll wird die Arbeit am Brandschutz sein, die wir jetzt forciert aufnehmen. Auch da gilt es wieder, das Schlimmste zu denken, um Schlimmes zu vermeiden. Aber das schreckt mich jetzt nicht mehr. Das habe ich schon gut geübt in meinem ersten halben Jahr.