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Kurzstrahler im Nahkampf gegen den Tumor

Prostatakrebs
Höchste Konzentration für das Expertenteam. Und alles wird vom Computer überwacht.

Von Elli Brandt

Eupen

Prostatakrebs - schon die Diagnose ist ein Schock. Dann heißt es: was tun? Der Urologe berät, der Patient muss entscheiden. Lange galt die Operation, bei der die Prostata vollständig entfernt wird, als die einzige Möglichkeit, diesen Krebs zu bekämpfen.

Heute stehen auch weniger radikale Methoden zur Verfügung, wie Hormontherapie und Bestrahlung und verfeinerte Operationsmethoden.

Eine Art der Bestrahlung, die Brachytherapie, ist in bestimmten Fällen möglich, und sie gilt unter Fachleuten als die beste Wahl. Im St.Nikolaus- Hospital in Eupen wird die Brachytherapie seit Februar diesen Jahres praktiziert, und zwar die Variante »Permanent Seed Implantation«.

Mit Hilfe einer kleinen Hohlnadel werden Implantate, nicht größer als Samenkörner, daher die Bezeichnung »Seeds«, in der Prostata abgelegt. Die Seeds strahlen nur eine kurze Distanz, attackieren permanent den Tumor in nächster Nähe. Nach etwa zehn Monaten haben die Jod-125 beladenen »Seeds« ihre Strahlung verloren, aber sie dürfen im Körper bleiben. »Der Patient spürt sie nicht mal«, versichern Urologen.

Kein Skalpell

»Eine Hightech-Therapie und ein einfacher Eingriff«, heißt es am Eupener St. Nikolaus-Hospital. Das Grenz-Echo durfte bei so einem Eingriff dabei sein. Kein Skalpell, kein Tupfer, kein Blut. Im Operationsraum dominiert die Präsenz von Hightech-Apparaten. Das Behandlungsteam besteht aus einer fachübergreifenden Gruppe von Spezialisten: einem Urologen, einem Radioonkologen und einem Nuklearphysiker. Die beiden letzteren gelten als international anerkannte Experten auf diesem Gebiet. Sie konnten vom St. Nikolaus-Hospital für Eupen vertraglich verpflichtet werden. Der Radioonkologe Dr. Carl Salembier, Pionier dieser neuen Methode in Belgien, stammt aus Brüssel, wo er gemeinsam mit dem Nuklearphysiker Alex Rijnders an der »Clinique site les 2 alices« tätig ist.

Der Patient ist in eine leichte Narkose versetzt, denn viel länger als eine Stunde wird der Eingriff nicht dauern. Die Vorarbeit, die Bestrahlungsplanung, hat das Expertenteam Tage oder Wochen vorher gemacht. Bei einer Ultraschalluntersuchung, mit einem speziell für die Brachytherapie entwickelten, hoch auflösenden Gerät, wurde die Prostata vermessen. Die Schichtbilder wurden in das Dosierungsprogramm des Computers übertragen, der die Prostata und die umliegenden Organe dreidimensional rekonstruiert. So konnten die Experten, wieder mit Hilfe eines Computerprogramms, die genaue und individuelle Anzahl und Lage der Seeds planen.

Auf dem Operationstisch wird der Patient in die gleiche Position gebracht wie bei der OP-Planung. Eine Ultraschallsonde wird in den Enddarm eingeführt. Auf das Gerät wird eine Punktionsmatrix gesetzt. So entsteht eine Art Navigationssystem. Über die Matrix wird die mit Seeds beladene Hohlnadel in die Prostata eingeführt. Ein Blick auf das Ultraschallbild sagt, wann die richtige Position erreicht ist und wann die Hohlnadel die Seeds, die mit einem Faden, der sich später auflösen wird, miteinander verbunden sind, freigeben darf.

Ein Eingriff, der sehr teurer Geräte bedarf. Rund 350000 Euro dürfte die Grundausstattung kosten. Von den jährlich rund 5000 an Prostatakrebs erkrankten Männern in Belgien werden etwa 1000 mit dieser Therapie behandelt, mit steigender Tendenz. In den USA wird die Brachytherapie seit mehr als zehn Jahren viel öfter praktiziert. Mittlerweile wird ein Drittel der Prostatakarzinome mit »Permanent Seed Implation« bekämpft. Ronald Reagan und der ehemalige US-Außenminister Collin Powell haben öffentlich von ihren Erfahrungen damit berichtet.

Auch in Europa gewinnt die innere Prostatabestrahlung immer mehr an Bedeutung. »Die Vorteile sind offensichtlich«, heißt es am St. Nikolaus-Hospital. Der Tumor wird zielgerichtet bestrahlt. Die Strahlendosis erreicht 145 Gray, also eine ziemlich hohe Ladung, dennoch werden die umliegenden Organe und das umliegende Gewebe weitgehend geschont, denn die Strahlentiefe der Seeds reicht nur wenige Millimeter. Die konventionelle Bestrahlung von außen erlaubt nur eine maximale Gesamtstrahlendosis von 75 Gray, um Schäden an Harnröhre, Blase und Darm zu begrenzen.

Ambulant

Weitere Vorteile: die Risiken einer großen Operation entfallen. Der minimal invasive Eingriff kann ambulant durchgeführt werden. Nach einem Tag im Krankenhaus kann der normale Alltag wieder beginnen. Und im Vergleich zu einer Radikaloperation treten nach diesem Eingriff Impotenz und Harninkontinenz deutlich seltener auf. Und die Brachytherapie verbaut nicht die Möglichkeit für alle anderen Therapien, sollte sich unerwartet wieder ein Tumor bilden.

Bereits in den Vierzigerjahren haben Pioniere eine erste Art innerer Bestrahlung probiert. Doch erst die moderne Computertechnik hat der Brachytherapie den Weg geebnet. Allerdings kann auch jetzt erst auf Patientendaten und Ergebnisse von zehn Jahren zurückgeblickt werden. Doch nach diesen Ergebnissen könne die Brachytherapie durchaus mit der operativen Prostataentfernung konkurrieren. Bei beiden liege die Heilungschance bei 90 Prozent, heißt es am St. Nikolaus-Hospital.

Leider ist die »Permanent Seed Implantation« nicht bei allen Patienten möglich. Sie setzt einen lokal begrenzten Tumor voraus. Es dürfen sich noch keine Metastasen gebildet haben. Das prostataspezifische Antigen PSA darf den Wert von 12 nicht überschreiten. Der Gleason-Score, also der Grad der Bösartigkeit, darf nicht höher als 7 sein, und das Prostatagrößenvolumen darf nicht größer als 45 Gramm sein. Und es darf keine ausgeprägte Blasenentleerungsstörung vorliegen.