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Dr. Frédéric Marenne: „Wir brauchen keine alten Kamellen“

Der Kardiologe Dr. Frédéric Marenne ist seit Ende März diensttuender Chefarzt im St. Nikolaus-Hospital in Eupen. Auf den 56-Jährigen warten einige Herausforderungen – und das nicht nur, weil die Ärzteschaft sich aus starken Egos zusammensetzt. Im Interview erklärt der Eupener, welche Schwerpunkte er setzen will. Die Überwindung der Gräben auf personeller Ebene gehört dazu.


Von Nathalie Wimmer
Herr Marenne, Sie haben sich vor einem Jahr für den Posten als Chefarzt im Eupener St. Nikolaus-Hospital beworben. Damals gab man Dr.Frippiat den Vorzug.
Waren sie enttäuscht?

Wenn man sich bewirbt, dann hat man natürlich die Hoffnung, angenommen zu werden. Aber ich war damals sehr froh, dass jemand gefunden werden konnte, um dem Krankenhaus zu helfen. Es waren also gemischte Gefühle.

Was hat Sie bewogen, die Stelle als Interims-Chefarzt anzunehmen?

Es schwingt sicher ein gewisses Pflichtgefühl mit, denn ich bin der Meinung, dass es in einem Krankenhaus einen Chefarzt geben muss. Vom Gesetzgeber ist der Posten als Chefarzt außerdem vorgeschrieben. Nur so kann ein Krankenhaus korrekt funktionieren. Die Tatsache, dass es notwendig ist, hat mich zum Teil überzeugt, diesen Schritt zu tun. Vorab habe ich aber mit meiner Familie gesprochen, um zu sehen, ob der Job mit unserem Leben zu vereinbaren ist. Auch mit Kollegen und Personal aus mehreren Abteilungen habe ich mich ausgetauscht, um zu hören, ob ich ihre Unterstützung habe. Nach all diesen Gesprächen denke ich, dass ich in der Lage bin, das Beste daraus zu machen.

Sind Sie bereit, auch über den Interimsjob hinaus als Chefarzt zu arbeiten?

Wenn man mich fragt, würde ich es gerne machen.

Was hat mit Ihrem Vorgänger denn nicht geklappt?

Ich weiß es eigentlich nicht genau. Ich weiß, dass es Spannungen mit dem Verwaltungsrat gab. Der damalige Chefarzt hatte die Ärzteschaft um Unterstützung gebeten – und die waren wir bereit zu geben. Die Entwicklung, die dann zur jetzigen Situation geführt hat, kam für mich sehr plötzlich. Ob sie an seiner Persönlichkeit liegt oder an anderen Elementen, die ich nicht kenne: Ich weiß es nicht.

Es hieß, Dr. Frippiat hätte nicht viel Rückhalt in der Ärzteschaft gehabt.

Er bat uns Ärzte, ihn zu unterstützen. Der Ärzterat hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, ihm Rückhalt zu geben.

Das scheint offensichtlich nicht geklappt zu haben…

Anscheinend. Und zu meiner Überraschung. Dass er plötzlich am 18. März schrieb, er sei nicht mehr in der Lage, seine Arbeit auszuführen, hat mich überrascht. Was nun wirklich dahintersteckt? Das muss ich gar nicht wissen. Mein Ziel ist es, nach vorne zu schauen. Ich will versuchen, Probleme auf eine andere Art zu lösen. Das entspricht meiner Persönlichkeit.

Man hört immer wieder, dass die Ärzteschaft im Krankenhaus sehr gespalten ist. Letztendlich leiden die Patienten unter diesem tiefen Graben. Was werden Sie tun, um hier entgegenzuwirken?

Ich sehe genau das als eine wichtige Aufgabe des Chefarztes. Und so steht es auch im Staatsblatt: Der Chefarzt muss die Zusammenarbeit der Ärzte intern und die Zusammenarbeit mit anderen Krankenhäusern extern bestmöglich regeln. Durch meine konziliante Art habe ich die Möglichkeit, eine einvernehmliche Zusammenarbeit der Ärzte wieder herbeizuführen. Natürlich soll auch schon mal diskutiert werden. Unter dem Strich ist aber eine gute kollegiale und effiziente Zusammenarbeit wichtig.

Was hat denn dafür gesorgt, dass eine so große Entzweiung bei den Ärzten entstanden ist?

Das gehört der Vergangenheit an. Ich will nach vorne schreiten. Und genau das habe ich auch den Kollegen erklärt. Wir müssen einen Schlussstrich ziehen. Wir müssen uns jetzt auf die Zukunft vorbereiten. Das ist schwierig genug. Wir brauchen keine alten Kamellen.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist die Umstrukturierung der Notaufnahme. Was genau lief da schief?

In dem Bereich haben wir schon einiges in Angriff genommen. Es geht darum, eine gewisse Struktur in die Notaufnahme zu bringen. Gemeint ist ein permanent anwesender Dienstleiter, der dort volltags tätig ist und sich mit den Assistenten beschäftigt. Er schaut, dass Richtlinien eingehalten werden und dass die Patienten eine bestmögliche, moderne Versorgung bekommen. Bisher gab es zwar einen Arzt, der sich intensiv um die Notaufnahme kümmerte, aber nicht immer da sein konnte. Das muss aber meiner Meinung nach der Fall sein. Daher haben wir das vor rund zwei Wochen bereits eingeführt.

In der Notaufnahme sind viele der Ärzte ausschließlich französischsprachig. Sehen Sie darin ein Problem?

Das hoch kompetente Team gibt sich wirklich Mühe. Sicher wäre es wünschenswert, dass alle Ärzte und Assistenten zweisprachig wären, aber ein wirklich gravierendes Problem ist es nicht, wenn dies nicht immer der Fall ist. Mittlerweile müssten die Mitarbeiter sogar bestenfalls mehrsprachig sein. Es gibt viele Patienten aus anderen Ländern, die weder deutsch noch französisch sprechen. Ich habe dennoch nie von einem Patienten gehört, er sei nicht verstanden worden.

Was wollen Sie – außer der Notaufnahme – noch anpacken?

Die Notaufnahme ist nur ein Teil der Veränderungen, die angestoßen werden sollen. Es muss insgesamt eine effizientere Struktur eingeführt werden. Dies wird in Form von Dienstleitern in den einzelnen Abteilungen geschehen. Jede Abteilung wird dann dafür verantwortlich sein, die erforderlichen Reformen anzupacken, die vor uns stehen. Alleine kann ein Chefarzt das nicht machen. Es muss eine Zusammenarbeit zwischen den Abteilungsleitern und mir als Chefarzt geben.

Solche Dienstleiter gibt es bisher nicht?

Nein, nicht in allen Abteilungen gibt es offizielle Dienstleiter. Es gibt einige, aber das muss nun viel systematischer eingerichtet werden. Ich verstehe es als meine Aufgabe als Chefarzt hier mehr Struktur einzuführen.

Wie sieht es in Bezug auf die Zusammenarbeit mit anderen Krankenhäusern aus?

Auch hier müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Ich werde die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern St.Josef in St.Vith und dem CHC in Verviers vorantreiben. Die Reform von Gesundheitsministerin Maggie De Block erfordert gewisse Synergien der Krankenhäuser. Daran müssen wir noch arbeiten. Die drei Hauptthemen, die mich also in Zukunft beschäftigen werden, sind die Strukturierung der Ärzteschaft in einem wirksamen Zusammenschluss, der Ausbau der Kooperationen mit den Partnerkrankenhäusern und die Vorbereitung auf die von der Regierung geforderten Reformen.

Die Kooperation mit anderen Krankenhäusern ist bisher – höflich ausgedrückt – eher schleppend vorangegangen.

Es fängt an. Wir sind noch am Anfang, aber wir werden in Zukunft verstärkt zusammenarbeiten.

Was haben die Patienten davon?

Wir werden mehr spezialisierte Ärzte auch in Eupen haben, die ein paar mal in der Woche vor Ort Sprechstunden abhalten. Außerdem wird es ein formalisiertes System für Verlegungen geben, damit es schneller geht. Alles soll effizienter und standardisierter laufen. Diese Zusammenarbeit wird eh von Maggie de Block gefordert. Wir können uns nicht sperren. „Stand alone“, das ist vorbei.

Kürzlich war auch von der Fusion des Eupener und St.Vither Krankenhauses die Rede. Was halten Sie davon?

Fusion ist das falsche Wort. Das streben wir nicht an. Es geht um eine enge und gut funktionierende Zusammenarbeit. Nicht mehr und nicht weniger.

Sind diese Reform und die damit einhergehenden Kooperationen nicht vor allem vor einem finanziellen Hintergrund zu sehen?

Es steht fest, dass wir in einem Land leben, in dem das soziale System wunderbar funktioniert. Alle Patienten – von den reichsten bis zu den ärmsten – können gleich behandelt werden. Das ist nicht überall auf der Welt der Fall und lange keine Selbstverständlichkeit. Dass Maggie De Block nun versucht, dieses System auch weiterhin aufrecht zu erhalten und finanziell tragbar zu belassen, ist nachvollziehbar. Das unterstützen wir natürlich. Aber es geht nicht nur um den finanziellen Aspekt, sondern auch um die Qualität der Medizin.

Apropos Qualität: Ist das St.Nikolaus Hospital in seiner Kleinheit überhaupt ein Krankenhaus mit Zukunft?

Die Qualität steht in meinen Augen außer Frage. Wir müssen nur strukturierter arbeiten. Sicher hört man, dass Patienten aus der Region auch in andere Krankenhäuser gehen. Aber das ist oft der Fall für gezielte Eingriffe wie beispielsweise Herzchirurgie, die wir in Eupen nicht anbieten können. Für eine primäre Versorgung ist Eupen durchaus konkurrenzfähig mit den anderen Krankenhäusern. Das Gras ist eben anderswo immer grüner – so heißt es zumindest. Das stimmt aber nicht in allen Fällen. Hier schon gar nicht.

Jetzt, da Sie als diensttuender Chefarzt tätig sind, kommt mehr Arbeit auf Sie zu: Haben Sie nicht Angst um Ihr eigenes Herz?

Ich treibe regelmäßig Sport, mindestens drei- bis viermal in der Woche. Meine Leidenschaft ist Wasserball. Mittwochmittags hatte ich bisher immer Training mit meinen Jungs. Das habe ich aufgeben müssen, um diese Stunden für das Krankenhaus zur Verfügung stellen zu können. Ich habe mein Zeitmanagement also angepasst. Ich kontrolliere mein Herz natürlich auch selber regelmäßig. Ich denke, es wird meinen Jobwechsel verkraften.