Erinnerungen von Maria Betsch
Anfang Februar veranstaltete die Autonome Hochschule in der DG (AHS) einen Jubiläumsfestakt anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Krankenpflegeausbildung in der DG.
Zu diesem Anlass ergriff im Anschluss ergriff Maria Betsch-Paulis, eine der ersten Studentinnen der AHS und langjährige Mitarbeiterin unseres Hauses, das Wort. Nachstehend finden Sie ihre Rede, die, wie wir finden, überaus interessant, kurzweilig und lesenswert ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Ehemalige,
Ich bin Paulis Maria und habe vor 50 Jahren hier in Eupen, damals in der Hufengasse, meine Krankenpflegeausbildung begonnen. Das heißt, im Oktober 1964 bis Mai 1965 das Vorbereitungsjahr, dann ab September 1965 drei Jahre Krankenpflegeschule. Nach meiner Diplomierung 1968 habe ich 13 Jahre in Eupen und Löwen im OP gearbeitet und den Rest meiner Arbeitszeit bis Januar 2010 in der Chirurgie in Eupen.
Wir waren damals die dritte Gruppe mit 10 Schülerinnen. Vier haben mit mir den Abschluss gemacht. Andere sind eher abgegangen.
Durch einen Bericht im Grenz-Echo erfuhr ich damals von einer neuen Krankenpflegeschule in Eupen. Direkt war mein Interesse groß, vor allem weil man hier in deutscher Sprache unterrichtete. Mit dem heute sogenannten Vennliner kam ich mit meinem Vater zum Krankenhaus Eupen und die Anmeldung wurde gleich vorgenommen.
Anfang Oktober 1964 trafen wir ein und begannen das Vorbereitungsjahr. Alle waren natürlich hier im Internat bei freier Unterkunft und Verpflegung. Wir mussten vormittags auf Station arbeiten, jedoch nicht in der Pflege sondern, was man heute Fahr- und Logistikdienst nennt bis zum Spülen in der Stationsküche.
Nach bestandener Prüfung vor der Jury in Verviers begann dann für uns das große Abenteuer Krankenpflegeschule.
Berufskleidung wie Kittel, Häubchen, Kleider und Schürzen wurden vom Haus gestellt. Ab jetzt hatte jeder sein Einzelzimmer und auch das Internat war weiterhin kostenlos. Wir erhielten ebenfalls monatlich ein kleines Entgelt je nach Schuljahr (zwischen 100 und 300 BEF.)
Jedoch, wenn Schwester Oberin unangemeldet unser Zimmer besuchte und unsere Ordnung sah, schüttelte sie nur den Kopf und sagte: „Das wollen mal alles Hausfrauen werden!“
Unser gemeinsamer Speiseraum befand sich im Keller nicht weit von der Küche und jeder Schüler musste um 12 Uhr mittags pünktlich erscheinen, wenn Fräulein Dehottay, unsere damalige Direktorin, das gemeinsame Tischgebet sprach bevor zusammen gespeist wurde.
Unsere praktischen Unterrichte wurden von Schwester Clementine, Fräulein Dehottay und Frau Hütten gegeben. Es wurde viel Wert auf das exakte Bettenmachen mit den akkuraten Ecken gelegt und nicht zu vergessen, die gründlichen Betttoiletten mit Fräulein Dehottay, wo die Halbtoten direkt lebendig wurden oder anders herum.
Praktikum, Theorie und das verhasste Tagebuch waren ganz schön anstrengend in den ersten Monaten. Manchmal mussten wir auch während dem Praktikum Patient im Übungsbett spielen; das konnte nach einer gefeierten Nacht auch schon mal positiv sein.
Der tägliche Stationsdienst war von 7.00-10.00 Uhr und danach war meistens Unterricht. Auch mussten wir jedes 2. Wochenende sowie einen Monat während den großen Ferien arbeiten. Wir vom Internat fuhren während eines Schuljahres meistens nur für die Ferien nach Hause. Und so kam es auch eines Sonntags, weil wir Dienst hatten, dass Fräulein Dehottay uns spontan die Fahrt zu einem Ball in der Eifel ermöglichte mit dem Krankenhauswagen der Schwestern. Sie wusste nur, dass es eine Tanzveranstaltung war und packte prompt Butterbrote und Kofferradio ein. Als wir zu später Stunde wieder in Eupen zurück kamen, mussten wir warten, bis die Schwestern morgens um 6 Uhr zur Messe waren, dann war die Luft rein und wir konnten zurück zu unseren Zimmern.
Übrigens, einmal die Woche hatten wir Ausgang, ansonsten mussten wir um 21 Uhr im Haus sein.
Der tägliche Ablauf auf Station wurde von einer oder mehreren Ordensschwestern, zwei Diplomierten und mehreren Helferinnen durchgeführt. Übergaben bei Dienstbeginn, so wie wir es heute kennen, gab es nicht, weil alle Informationen über die Schwestern liefen, die sowieso den ganzen Tag anwesend waren.
Das Pflegedossier war ein großes Blatt in 7 Tage unterteilt, daneben gab es ein Fieber-, Spritzen- und Nachtwachenheft – fertig.
Nach der Pflege wurden Sonden, Spritzen und Nadeln zum Sterilisieren gereinigt und wieder verwendet. Auch das Verbrauchsmaterial, Tupfer, Wickel und Handschuhe wurden gewaschen, sterilisiert und wieder gebraucht.
Einmal-Unterlagen und Pampers gab es nicht, nur ein großes Becken, wo die Stoffunterlagen, die besonders schmutzig waren, zuerst noch ausgewaschen wurden ehe sie zur Wäscherei gingen. Auch dies gehörte zu den Arbeiten der Schülerinnen.
Das Essen kam in großen Kesseln zur Station und wurde dann patientengerecht verteilt.
Nachtwachen gab es immer nur zwei für die drei chirurgischen Stationen, die dann auch noch Pforte und Telefonzentrale bedienen und überwachen mussten.
Viele Sachen, wie das Einmal-Gebrauchsmaterial, die höhenverstellbaren Betten und Stahlschwestern, hatten wir damals nicht; trotzdem haben wir immer viel Spaß und Freude während unseres Praktikums gehabt. Nur das Praktikum der Psychiatrie war außer Hause. Pflegemäßig wurden wir durch die geringe Stationsbesetzung schnell ins kalte Wasser geworfen und hatten die Chance, sehr viel machen zu dürfen.
Natürlich gab es auch den enormen theoretischen Teil während eines Schuljahres. An Einzelheiten kann ich mich so nicht mehr erinnern, wahrscheinlich Verdrängungsprozess. Ich weiß nur, wenn es schriftliche Abfragen gab, die mussten bei uns immer früh genug von den Lehrpersonen angekündigt werden, da sonst sie, genau so wie wir, sehr enttäuscht waren vom Resultat.
Am Ende eines jeden Schuljahres kam die Stunde der Wahrheit. Tagebuch, Praktikum und Prüfungen kamen in Bewertung. Die schriftlichen und mündlichen Prüfungen wurden je an einem Tag abgehalten. Nun war die Anspannung groß, die Nerven lagen blank und der gute Vorsatz, nächstes Jahr wird früher angefangen zu lernen war schon wieder nicht eingehalten worden.
War dann alles glücklich überstanden, wurde nach der „Délibé“ so richtig gefeiert. Das Krankenhaus spendierte ein kaltes Buffet und Getränke. Alle Lehrpersonen waren eingeladen und es war immer ein tolles Fest.
Rückblickend habe ich ein großes Gefühl der Dankbarkeit für diese einmalige Chance, meinen Traumberuf hier in deutscher Sprache erlernen zu können. Auch denke ich, dass wir eine gute Ausbildung hatten, obschon es noch ein recht neues Projekt war.
Ich hoffe, dass alle, die auch heute nach 50 Jahren diesen Beruf ergreifen oder schon praktizieren, viel Freude an ihrer täglichen Arbeit haben und vor allem, dass der Patient immer unser Mittelpunkt bleibt.
Eupen, den 8.02.2014
Maria Betsch-Paulis