Ernstfall eingetreten, worst case nicht eingetreten
EUPEN
VON ANNICK MEYS
Das Testergebnis des Patienten, ein 65-jähriger Mann ohne nennenswerte Vorerkrankungen, der nicht aus der DG, aber aus einer Randgemeinde stammt, hatte unverhältnismäßig lange auf sich warten lassen. Genauer gesagt 36 Stunden. Krankenhausdirektor Rene Jost und Chefarzt Dr. Frederic Marenne hatten den Laborbefund ursprünglich für Montagmittag erwartet, nachdem besagter Patient bereits am Sonntagabend auf das Virus getestet worden war. Eine Influenza-Infektion hatte zuvor ausgeschlossen werden können. Erst am Dienstagmorgen, um kurz nach neun Uhr, bestätigte Rene Jost per SMS, was viele wohl befürchtet hatten: Nach Rucksprache mit dem Labor in Löwen wurde der Befund positiv getestet, so der genaue Wortlaut. Das Coronavirus ist in Ostbelgien angekommen.
Foto: David Hagemann
Dr. Frédéric Marenne, Chefarzt am St. Nikolaus-Hospital, stellte sich am Dienstag den Fragen der Journalisten.
Der Infizierte hat bis zuletzt aktiv am gesellschaftlichen Leben teilgenommen. Oberstes Ziel ist es nun, die Ausbreitung möglichst einzudämmen, sagte der Chefarzt am Dienstagnachmittag im Rahmen einer Pressekonferenz. Als erste Reaktion auf
den bestätigten Coronavirus-Fall wurden 13 Krankenhausmitarbeiter, die den Mann am Sonntagabend in der Eupener
Notaufnahme in Empfang genommen und versorgt hatten, vorsorglich vom Dienst freigestellt.
Sie wurden ebenfalls auf das Coronavirus getestet und harren die kommenden zwei Wochen in häuslicher Quarantäne
aus, wie Chefarzt Dr. Marenne bestätigte. „Der dadurch entstandene personelle Engpass wird durch andere Abteilungen
ausgeglichen. Der Krankenhausbetrieb ist nicht gestört“, versichert er, macht aber kein Geheimnis daraus, dass es auch anders hätte ausgehen können: „Der Infizierte gehört nicht zu der Risikogruppe. Er hat keine Reisen in Gebiete mit hoher Infektionsrate
unternommen und hatte keinen Kontakt zu jemandem, der sich nachweislich mit dem Virus angesteckt hat.“ Dass der
Patient, der bei seiner Ankunft in der Notaufnahme unter starkem Husten, Fieber und Atemnot litt, dennoch umgehend
als Corona-Verdachtsfall eingestuft und auch so behandelt worden war, sei alleine dem Feinsinn des diensthabenden
Arztes der Notaufnahme zu verdanken. „Hätte sich der Patient im Rahmen verschiedener medizinischer Untersuchungen
frei im Krankenhaus bewegt, dann hätten wir das gesamte Krankenhaus schließen müssen“, spielt der Chefarzt das schlimmstmögliche Szenario durch. Zwar gibt es derzeit keinen weiteren konkreten Verdachtsfall im St.Nikolaus-Hospital,
dennoch ist die Krankenhausleitung in Alarmbereitschaft. „Es wurde ein abgeschlossener Bereich eingerichtet, speziell für
schwere Coronavirus-Verdachtsfälle“, erklärt René Jost. So soll das Ansteckungsrisiko möglichst gering gehalten
werden. Dieser Bereich umfasst fünf Betten für Infizierte, die akut medizinisch versorgt werden müssen. „Sollte das nicht ausreichen, besteht die Überlegung, Sporthallen oder Kasernen kurzfristig zu Krankenlagern für weniger schlimme
Fälle umzufunktionieren. Aber das ist erst mal nur eine Idee“, erklärt Dr. Marenne.
Denn das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht, ist der Chefarzt sicher: „Ich gehe davon aus, dass es
weitere Fälle geben wird.“ Dazu beitragen dürfte sicherlich die Tatsache, dass der Infizierte bereits ansteckend war,
noch bevor er selbst von seiner Ansteckung wusste, und er zudem bis zum Ausbruch der
Symptome „aktiv am gesellschaftlichen Leben teilgenommen hat“, so Dr. Marenne.
Der 65-jährige Corona-Patient ist inzwischen von Eupen in die Brüsseler Klinik St.Pierre verlegt worden. „Sein
Zustand verlangt, dass er intensivmedizinisch beobachtet wird“, so Dr. Marenne. Dies sei, wie so vieles in diesen Tagen,
eine reine Vorsichtsmaßnahme: „Mag sein, dass er sich morgen schon besser fühlt, aber sollte sich sein Zustand verschlechtern, ist er dort bestens aufgehoben.“