Für die meisten Frauen ist der Besuch beim Gynäkologen genauso normal wie der Besuch beim Zahnarzt. Viele Männer weichen einem Besuch beim Urologen dagegen lieber aus, wo es möglich ist.
Dabei ist gute Vorsorge so wichtig! Das sagen auch Dr. Johan Lambertz und Dr. Jan Berx, die gemeinsam mit ihrem erfahrenen Kollegen Dr. Frank Jacob in der urologischen Praxis in der Eupener Hufengasse praktizieren.
Im Gespräch mit dem GrenzEcho verraten sie, wie man selbst Vorsorge betreiben kann, was eigentlich die Prostata macht und wieso es bei Erektionsstörungen manchmal nur einen kleinen Tapetenwechsel braucht.
Wir sprechen heute über das Thema Männergesundheit. Aus Ihrer Sicht: Gibt es immer noch Männer, für die der Besuch beim Urologen ein „Tabuthema” ist?
Berx: Viele Männer kommen nur, weil die Frau mal gesagt hat, sie sollen zum Urologen gehen. Es bleibt einfach immer eine gewisse Scham. Gerade bei jungen Männern – wenn die ein Problem haben, warten sie oft viel zu lange, um vorbeizukommen.
Lambertz: Ich würde fast die Frage so beantworten, dass alle Männer eine sehr hohe Schamgrenze haben und nicht automatisch zum Urologen gehen. Im Gegensatz zu Frauen, die allein schon durch ihr Körperschema und die Regelblutung, das Kinder bekommen und so weiter, automatischer zum Gynäkologen gehen. Der Körperbezug beim Mann ist ein anderer, man überlässt viel mehr der Natur und geht dann immer erst zum Arzt, wenn man was hat, aber zur Vorsorge zu gehen oder um Rat zu fragen ist für den Mann eigentlich immer mit so einer Art Hürde verbunden. Wir sehen aber auch sehr oft: Wenn das Eis einmal gebrochen ist und sie einmal hier waren, dann geht es danach ganz einfach.
Ab welchem Alter sollten Männer zur regelmäßigen Vorsorge gehen?
Berx: Für die Männer ist die Prostata-Untersuchung die Wichtigste. Da empfehlen wir, ab 50 regelmäßig zur Vorsorge zu gehen. Wenn es Fälle in der Familie gibt oder man zu einer Gruppe mit erhöhtem Risiko gehört, was zum Beispiel bei schwarzen Männern der Fall ist, ist die Empfehlung, bereits fünf Jahre früher, also mit 45, anzufangen.
Kann man, zum Beispiel mit Tasten, selbst Vorsorge betreiben?
Berx: Vor allem junge Männer sollten ab und zu die Hoden abtasten. Wenn man da irgendwo eine komische Stelle findet, sollte man das beim Urologen abklären lassen. Meistens bemerkt man einen Knubbel oder eine Verhärtung am Hoden. Der
Hodenkrebs ist ein sehr schnell wachsender Tumor, den man aber gut behandeln kann, wenn man ihn früh erkennt. Oft ist es aber auch nichts Schlimmes, dann fühlt man vielleicht einfach nur den Nebenhoden. Wir können dann auch erklären, worauf
man achten muss.
Lambertz: Beim Hodenkrebs ist es auch eine ganz andere Patientengruppe, hauptsächlich jüngere Männer, oft sogar Teenager oder fast noch Kinder. Bei denen besteht natürlich noch eine höhere Schamgrenze, die laufen nicht sofort zum Urologen. Da ist es unsere Aufgabe, zu sensibilisieren und den Jungs beizubringen, sich eben selbst auch mal abzutasten. Die Prostata dagegen ist nicht zugänglich, die kann man nicht selbst untersuchen. Das ist das große Problem dieses Organs. Dazu kommt, dass die Prävalenz extrem unterschiedlich ist. Prostatakrebs ist mit Abstand der häufigste Tumor beim Mann, Hodenkrebs ist ein ganz seltenes Phänomen. Da gibt es eben auch kein Vorsorgeprogramm, sondern man muss die Leute selbst sensibilisieren. Wie gut kennen eigentlich, Ihrer Einschätzung nach, Männer ihren eigenen Körper und die Anatomie?
Lambertz: Das ist sehr unterschiedlich. Ich habe den Eindruck, manche Leute assoziieren das Wort Prostata gleich mit dem Besuch beim Urologen und mit Krebs, es ist alles ein großes Mysterium. Für andere Leute ist die Sache völlig klar. Beim Hoden sieht es etwas anders aus, die Feinheiten im Hoden nicht zu kennen ist, denke ich, völlig legitim. Aber die Prostata ist für viele einfach ein großes Wort. So wie die Leute in Eupen bei Rückenschmerzen sagen: „ich hab Rücken“, so haben die Leute
bei uns Prostata. Dabei kann das völlig unterschiedlich sein. Viele Leute haben vielleicht einfach eine gutartige Prostatavergrößerung und können nicht mehr Pipi machen. Das hat nichts mit Krebs zu tun und das ist die allerhäufigste Belastung beim Mann. Unsere Aufgabe ist, das auch so ein bisschen auseinander zu halten.
Was genau macht denn eigentlich die Prostata?
Berx: Die Hauptaufgabe ist die Spermaproduktion. Lambertz: Es ist eine Drüse, im deutschen heißt sie Vorsteherdrüse. Zum einen hat sie die Aufgabe, die Flüssigkeit des Samenergusses zu produzieren, zum anderen liegt sie anatomisch gesehen an einer strategisch wichtigen Stelle: unterhalb der Blase, um die Harnröhre herum. So spielt sie eine wichtige Rolle in der Steuerung der Flüssigkeiten. Mit welchen anderen Symptomen und Krankheiten kommen Männer zu Ihnen?
Lambertz: Wir fangen schon bei den Kindern an. Da werden viele Jungs hergebracht, weil sie einen Verdacht auf Hodenhochstand oder eine Vorhautverengung haben. Das sind sehr häufige Probleme. Da ist auch viel Aufklärungsbedarf bei den jungen Eltern da. Außerdem haben etwa 15 Prozent der Jungen eine sogenannte Varikozele, eine Krampfader am Hodensack. Das muss nicht immer behandelt werden, aber es ist wichtig, dass man zumindest weiß, womit man es zu tun hat. Daneben kommen in den letzten zwei Jahren immer wieder Männer mit dem Wunsch nach einer Vasektomie zu uns. Und dann gibt es natürlich eine ganze Reihe Leute, die wegen einer Erektionsstörung zu uns kommen – da braucht man schon viel Fingerspitzengefühl. Da wird der Beruf des Urologen aber auch extrem schön, weil es sehr abwechslungsreich ist, da gehen wir ganz weit weg von der Chirurgie, manchmal fast schon in die Paarberatung. Da muss man sehr einfühlsam sein und
versuchen, zu verstehen, wo das Problem liegt.
Sie haben bereits selbst das Thema Erektionsstörung angesprochen. Für viele ein unangenehmes Thema. Was sind die häufigsten Gründe für diese Problematik?
Lambertz: Ganz oft entstehen Erektionsstörungen aus Angst heraus. Wenn man zum Beispiel eine 'Panne' hatte, und das kann aus den verschiedensten Gründen passieren, die in den seltensten Fällen organische Gründe sind. Dann steigern sich viele da rein, haben Angst, dass das nochmal passiert.
Berx: Und das ist dann oft ein Teufelskreis.
Lambertz: Genau. Die organischen Gründe für eine Erektionsstörung sehen wir eher bei Gefäßerkrankungen oder bei Diabetespatienten. Hormonstörungen sind eher selten, aber die gibt es natürlich auch. Und ganz oft kommt eben alles zusammen. Da hat man vielleicht einen 60-jährigen Raucher, der viele Medikamente für den Blutdruck nehmen muss und plötzlich mit Übergewicht auch noch einen Hormonmangel an den Tag legt.
Was kann man in so einem Fall machen?
Lambertz: Es gibt eine Reihe Medikamente, die wir dann einsetzen können. Es gibt nicht mehr nur das klassische Viagra, die blaue Pille. Das war das erste Medikament, hat aber auch viele Nebenwirkungen. Es gibt heutzutage Medikamente, die länger
wirksam und schonender sind. Es ist wichtig, zu schauen, zu wem passt welches Medikament, und passt es überhaupt. Man sollte sehr vorsichtig sein, und man sollte sich auf jeden Fall niemals Medikamente im Internet bestellen. Das machen viele,
und das ist gefährlich.
Berx: Man weiß nicht, was drin ist. Und gerade junge Leute, die unter Erektionsstörungen leiden, machen das oft und kombinieren dann sogar mehrere Medikamente.
Was würden Sie denn einem gesunden Mann, der plötzlich mit Erektionsstörungen zu kämpfen hat, im ersten Zug raten?
Berx: Man sollte schauen, ob das Problem wirklich neu ist oder vielleicht schon länger besteht. Es braucht auch eine sehr gute Beratung, im Gespräch wird geklärt, was der Patient selber denkt, was das Problem ist. Das Gespräch ist oft schon sehr
hilfreich.
Lambertz: Ich empfehle den Leuten auch gerne einen Tapetenwechsel. Wir haben es oft mit Männern zu tun, die so unter 50 sind, beispielsweise in einer zweiten Partnerschaft, oder vielleicht sind auch die Kinder gerade alt genug, dass das alles wieder anfängt zu laufen abends. Dann ist die Anspruchshaltung an den eigenen Körper manchmal einfach zu hoch. Am besten einfach mal aus der Routine rauskommen. Oder zum Beispiel nicht gerade nach dem Abendessen. Sex ist wie ein Fünf-Kilometer-Lauf. Das macht man auch nicht nach einem Steak und einer Flasche Wein. Wenn man 20 ist, ist das alles noch egal, wenn man 50 ist, ist es eben nicht mehr so egal.
Zum Thema Sex: Welche Verhütungsmethoden stehen Männern eigentlich zur Verfügung? Gibt es so etwas wie die Pille für den Mann?
Lambertz: Es gibt Ansätze, mit Hormonsubstitutionen den Männern ihre Fertilität zu nehmen, aber die Sicherheit ist nicht gegeben. Das heißt, es gibt heute keine Medikamente, die wir den Männern oder den Familien zur Verhütung empfehlen
können. Das führt dazu, dass sie als Mann nur mit dem Kondom verhüten können. Die Alternative dazu, und das nimmt seit zwei oder drei Jahren immer mehr zu, ist die Sterilisation. Das ist eine kleine Operation, in den meisten Fällen unter Lokalanästhesie. Im Vergleich zur Sterilisation bei der Frau ist das ein riesiger Unterschied. Das ist die sicherste Methode, die es gibt. Die Samenleiter werden durchtrennt, die Spermien werden nicht mehr transportiert und der Samenerguss ist hinterher steril. Die Männer merken dabei übrigens keinen Unterschied.
Kann man eine Vasektomie wieder rückgängig machen?
Berx: Man kann sie theoretisch rückgängig machen, allerdings gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, dass das dann auch funktioniert. Die Operation ist aufwendiger als die Sterilisation selbst. Und je länger man wartet, desto geringer werden auch die Chancen, dass es funktioniert.
Lambertz: Ethisch gesehen muss man die Leute eben darauf hinweisen, dass man eine Vasektomie für sich und seine Familie ein Mal durchführt. Einen Mann zu sterilisieren, der möglicherweise in zwei Jahren mit einer neuen Frau nochmal Kinder möchte, wäre falsch.
Berx: Man sollte die Operation angehen mit dem Gedanken: Das ist für immer. Lambertz: Es sind Ausnahmefälle, in denen man das machen kann, und eine Garantie gibt es keine. Es ist eben kein Legobausatz, den man zusammen und auseinander baut, wie es einem passt.
Prüfen Sie die Fälle vorher?
Berx: Das ist abhängig davon, wie alt die Männer sind, ob sie vielleicht auch schon Kinder haben. Wenn ein junger Mann mit 21 Jahren, der vielleicht ein Kind oder noch gar keineKinder hat, zu uns kommt und um eine Sterilisation bittet, würde ich das niemals einfach so machen. Es bedarf vielen Gesprächen im Vorfeld.
Lambertz: Es gibt allerdings kein Gesetz dazu, das es verbietet, einen Mann zu sterilisieren, wenn er nicht ein gewisses Alter oder eine Anzahl Kinder hat. Das ist ein Gespräch, das wir suchen müssen. Da stellen wir die Fragen eben auch sehr
direkt.
Wo wir bei Kindern sind: Reden wir über das Thema unerfüllter Kinderwunsch. Wie oft liegt das Problem da eigentlich beim Mann?
Lambertz: Die Häufigkeit in Zahlen zu fassen, wäre für uns als Urologen schwierig. Wir sehen ja nur die Männer, die kommen, und wissen auf der anderen Seite auch nicht, wie oft das Problem bei der Frau liegt. Es ist aber relativ einfach für uns,
herauszufinden, ob ein Mann fruchtbar ist oder nicht. Wir machen dann ein Spermiogramm. Diese Samenanalyse wird in einem Labor gemacht. Hier in Eupen müssen wir die Leute dazu leider wegschicken, organisieren das aber für unsere Patienten und besprechen das hinterher mit den Patienten oder den Paaren. Wenn es ein Problem gibt, finden wir in seltenen Fällen Hodentumore, oder es liegt ein anatomisches oder auch ein genetisches Problem vor. Ich glaube aber, dass der Mann der primär Verantwortliche für den unerfüllten Kinderwunsch ist, ist eher selten.
Berx: Die Paare gehen oft zuerst zum Fertilitätszentrum, und da ordnen dann oft die Gynäkologen ein Spermiogramm an. Zu uns werden die Männer dann erst geschickt, wenn es ein Problem gibt.
Lambertz: Genau. Wir sehen ein Fertilitätsproblem in der Regel erst nach einem Jahr, wenn die Paare es versuchen und es passiert nichts. Da wäre es für mich absolut kein Problem, wenn ein Mann dann spontan hierherkäme und sich untersuchen
lässt. In den meisten Fällen gehen die Männer aber mit der Frau zum Gynäkologen und werden dann zugewiesen. Vielleicht ist da einfach noch eine Schamgrenze bei den jungen Männern, die wir noch überwinden müssen.